Montag, 25. Februar 2008
Steuerskandal: BND soll Bankmitarbeiter erpresst haben
Die ursprungliglichen Verlautbarungen von Bundesregierung und Bundesnachrichtendienst, dass der BND keinen direkten operativen Anteil an der Beschaffung von Kundendaten aus Liechtensteiner Banken hatte, klangen wegen zahlreicher Unstimmigkeiten von Anfang an wie ein Märchen. Jetzt will die Schweizer Zeitung "Sonntagsblick" herausgefunden haben, dass der BND, um an neuere Daten nach 2002 heranzukommen, mehrere Bankmitarbeiter erpresste, darunter einen Pädophilen.
Aus einer dpa-Meldung: Der Bundesnachrichtendienst (BND) soll einem Schweizer Zeitungsbericht zufolge einen liechtensteinischen Banker erpresst haben, um an Kundendaten des Instituts zu kommen. Der Erpresste habe die Daten geliefert, außerdem hätten neben dem schon bisher bekannten liechtensteinischen BND-Informanten zwei weitere Personen Bankinformationen weitergegeben, berichtete die Schweizer Boulevardzeitung "SonntagsBlick". Da die von dem ursprünglichen Informanten verkauften Daten nur bis 2002 reichten, hätten die Geheimdienstler versucht, auch an aktuellere Daten zu kommen. Sie hätten insgesamt mindestens sechs Angestellte liechtensteinischer Finanzinstitute "mit teilweise recht brutalen Methoden" kontaktiert.
Der Pädophile soll "mit Hilfe von Profis aus dem einschlägigen Milieu" in eine Falle gelockt worden sein, das Hotelzimmer sei vorher mit versteckten Kameras und Mikrofonen verwanzt worden.
"Als man ihn mit den Aufnahmen konfrontierte, war es ein Leichtes, die gewünschten Daten von weiteren deutschen Steuerflüchtlingen zu erhalten."
Der BND hat den Zeitungsbericht kurz nach Bekanntwerden dementiert: Weder sei die Meldung inhaltlich zutreffend, noch bediene sich der Bundesnachrichtendienst solcher Methoden. Es wurde noch einmal bestätigt, das die Daten, die die Steueraffäre ausgelöst hatten, von einem "Selbstanbieter" stammten. Alles andere sei "hanebüchener Unsinn", meinte ein Sprecher.
Freilich dürften auf den BND jetzt auf der zweiten Sitzung des parlamentarischen Kontrollgremiums (PKG) am 5. März wesentlich unangenehmere Fragen warten. Für gewöhnlich sind nämlich die Recherchen des "Sonntagsblick" in Geheimdienstangelegenheiten nicht von Pappe. Ihren letzten großen Coup landeten sie mit der Aufdeckung der sogenannten "Fax-Affäre", als sie in ein abgefangenen Fax des ägyptischen Außenministeriums veröffentlichten, das andeutete, dass die CIA 23 Bürger aus dem Irak und Afghanistan auf dem rumänischen Luftwaffenstützpunkt Mihail Kogalniceanu verhört habe.
Bereits kurz nach Bekanntwerden der Steueraffäre hatte die "Berliner Zeitung" angedeutet, dass der Bundesnachrichtendienst in einer großangelegten Operation über Jahre hinweg Liechtensteiner Banken ausgespäht hatte und dass mit der Geschichte vom Selbstanbieter Regierung und BND offenbar diplomatische Verwicklungen vermeiden wollten.
Danach waren bestimmte Medien plötzlich ungewöhnlich gut über Details zu den Kontakten des BND mit dem angeblichen "Datendieb" Heinrich Kieber informiert, sogar der genaue Ort und das Datum der Treffen kamen in die Öffentlichkeit. BND-Präsident Ernst Uhrlau hatte aber zuvor abgestritten, dass K. der Informant für die Daten der liechtensteinischen LGT sei. Ein Verwirrspiel ohnegleichen, dazu kommen noch die Daten der LLB und einer weiteren ungenannten Bank.
Auch im parlamentarischen Kontrollgremium wundert man sich über die gezielte Fütterung der Medien. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele sagte: «Offenbar gibt es ein Interesse beim BND oder bei der Bundesregierung oder auch bei beiden, bestimmte Informationen an die Öffentlichkeit zu lancieren.» Für ihn und seine PKG-Kollegen seien jedenfalls ein großer Teil der jetzt veröffentlichten Informationen völlig neu gewesen.
Die fürstliche liechtensteinische Bank LGT wiederum widerspricht heute den kursierenden Angaben deutscher Behörden: Die illegal in Besitz deutscher Steuerfahnder gelangten Daten beschränken sich laut der Bank auf 2002 geklautes Material.
Und was Kieber betrifft, der als "Computerexperte" bei der LGT vorstellig wurde, um an die Daten heranzukommen - "Blick" wiederum hat ganz andere Informationen über den gebürtigen Liechtensteiner. Demnach war er eher ein Lebemann, der sich gerne zum Essen einladen ließ und mal hier, mal dort mit einfachen Arbeiten aushalf. Woher hatte er die Referenzen und die Programmierkenntnisse, die er bei einer solch großen Bank wohl nachweisen musste, wenn es denn keine Gefälligkeitsanstellung gewesen sein sollte? Warum händigte ihm die Bank gleich die Originalunterlagen aus, statt ihn mit virtuellen Testdatensätzen zu versorgen, wie es normalerweise ausreichend und auch üblich ist?
Dann wurde heute auch noch bekannt, dass er seine Daten auch nach Großbritannien, in die USA, Kanada und andere Länder verkauft haben soll. Wie kann man soviel logistischen Aufwand alleine bewältigen, mit dem Hintergrundwissen, immer mit einem Bein im Gefängnis zu stehen?
Welche Daten hat die Regierung wirklich, wo hat sie die her und auf welchen Weg jeweils sind die Daten an den BND gegangen? Warum hat man in Deutschland ohne Not einen fremden Staatsangehörigen gleich mit zwei falschen Pässen ausgestattet? Fragen, die die Medien stellen sollten, anstatt sich auf den Desinformationskrieg des BND einzulassen.
Quellen:
BND dementiert Erpressung von Bankern
(diepresse.com, 24.02.2008)
Steueraffäre weitet sich aus
(Nordbayerischer Kurier, 24.02.2008)
Undichte Stelle gesucht
(business-wissen.de, 25.02.2008)
LGT veröffentlicht Details über Tathergang
(Liechtensteiner Volksblatt, 24.02.2008)
Liechtenstein: Zweite Bank im Visier der Ermittler
(Focus, 24.02.2008)
Steueraffäre: Informant hat Daten weltweit angeboten
(20min.ch, 24.02.2008)
Informant von britischen Fahndern bezahlt
(newsclick.de, 24.02.2008)
BND-Informant verkaufte Daten auch an die USA
(Spiegel Online, 23.02.2008)
Steuerflucht: Eichel wirft Schweiz Schutz von Kriminellen vor
(MSN, 24.02.2008)
WCN-Artikel:
"Wall Street Journal" läßt BND-Informanten auffliegen
(19.02.2008)
Investierte der BND in Liechtensteiner Bankmitarbeiter?
(18.02.2008)
F+A zum Liechtensteiner Raff-Kontenskandal
(16.02.2008)
Dieser Artikel erschien erstmalig bei World Content News
woensdag 27 augustus 2008
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