04.08.2008, 18:34
Von Hans Leyendecker und Uwe Ritzer
Im Rostocker Prozess um die Erpressung der Liechtensteinischen Landesbank (LLB) sind Bankdaten von 1850 wohlhabenden Bundesbürgern aufgetaucht - die meisten Steuerflüchtlinge. Der LLB-Fall könnte größer werden als der LGT-Fall, der mit Zumwinkel begann.
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Der Hauptangeklagte mit seinen Anwältinnen im Landgericht Rostock beim Prozess gegen mutmaßliche Erpresser der Liechtensteinischen Landesbank LLB . (Foto: )
Raum 201 des Rostocker Landgerichts war früher der Festsaal der örtlichen Stasi-Zentrale. Dort, wo einst die Spitzel feierten und tanzten, findet seit April der Prozess gegen drei Männer statt, die versucht haben sollen, die Liechtensteinische Landesbank (LLB) mit den Daten deutscher Kunden zu erpressen.
Als die Steuer-Feste Vaduz geknackt wurde
Das Verfahren gegen einen vierten Angeklagten wurde abgetrennt. An jedem Verhandlungstag setzt sich auch ein Advokat aus Zürich in den Zuhörerraum und macht sorgfältig Notizen. Er schreibt im Auftrag der Bank mit. Das Geldhaus in Vaduz ist schließlich für seine Akkuratesse bekannt. Für die Aufzeichnungen vom vergangenen Freitag werden sich eines Tages vielleicht liechtensteinische oder Schweizer Historiker interessieren. Ausgerechnet am 1. August, dem Schweizer Nationalfeiertag, ist möglicherweise die Steuer-Feste Vaduz geknackt worden.
Es war gegen zehn Uhr, als die Hamburger Anwältin Leonore Gottschalk-Solger mit einer prall gefüllten schwarzen Plastiktüte in der Hand zum Richtertisch schritt. Die erfahrene Juristin, Jahrgang 1936, die schon arabische Flugzeugentführer, RAF-Terroristen, große Wirtschaftskriminelle, gewöhnliche Säuremörder und schillernde Kiez-Größen verteidigte, hatte zuvor in einem Beweisantrag die Vernehmung von 1850 weiteren Zeugen gefordert.
Kontodaten von 1850 wohlhabenden Bundesbürgern
Als sie nach vorne ging, nahm sie nicht das Raunen im Saal wahr, sondern sinnierte nur darüber, "wie schwer doch Papier sein kann". Die mehr als 500 Blätter, die sie schleppte, wiegen im doppelten Wortsinn eine Menge. In der Tüte steckten Kontounterlagen, Belege, Aufzeichnungen aus Handakten und vielerlei sonstige Dokumente über geheime Konten von 1850 wohlhabenden Bundesbürgern, von denen die meisten gemeine Steuerflüchtlinge sind. Auch ihre Geheimcodes sind jetzt nicht mehr geheim. Staatsanwalt Martin Fiedler, Jahrgang 1972, geht davon aus, dass die Belege echt sind. Über den Daumen gerechnet schätzt er den dokumentierten Vermögenswert auf drei bis vier Milliarden Euro.
In ihrem Beweisantrag hatte Anwältin Gottschalk-Solger gefordert, dass die Kunden in dem Prozess Auskunft darüber geben sollten, ob ihr in Liechtenstein verstecktes Vermögen Schwarzgeld war und ob die Landesbank davon wusste. Natürlich werden nicht alle 1850 geladen werden. Das hätte nicht mal die Stasi gemacht. "GS", wie die Hamburger Juristin nach den Initialen ihres Doppelnamens genannt wird, will nur eine mildere Strafe für den von ihr und der Kollegin Astrid Denecke vertretenen Hauptbeschuldigten.
Der LLB-Fall wäre größer als der LGT-Fall
Der heißt Michael Freitag und ist kein sehr umgänglicher Zeitgenosse. Zu seinem Lebenslauf gehört die Beteiligung an zwölf Banküberfällen, die Entführung eines Kaufmannssohns, er hat auf einen Polizisten geschossen und soll auch mal einen Bordellbesitzer erschossen haben, was ihm nicht nachgewiesen werden konnte. Diesmal droht ihm Sicherungsverwahrung. Eine Tüte hergeben oder für immer weggesperrt werden - war das die letzte Alternative?
Die Übergabe in Saal 201 könnte eine Lawine lostreten, die aus Sicht der Liechtensteiner jede Aussicht auf ein schnelles Ende des geschäftsschädigenden Wirtschaftskrimis unter sich begraben würde. Seit Monaten ermitteln Bochumer Staatsanwälte und ein Großaufgebot von Steuerfahndern gegen Hunderte deutscher Steuerhinterzieher, die sich viele Jahre bei der liechtensteinischen LGT-Bank sicher gefühlt hatten. Umfangmäßig würde der LLB-Fall den LGT-Fall um ein Mehrfaches übertreffen.
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Im LGT-Fall hatte der Bundesnachrichtendienst von einem Ex-Mitarbeiter der Bank für 4,6 Millionen Euro Kundendaten gekauft und an die Wuppertaler Steuerfahndung weitergereicht. Die LGT-Bank gehört der Fürstenfamilie und wird deshalb auch Fürstenbank genannt. Jetzt wird es auch für Kunden der Bank, die mehrheitlich dem Land gehört, eng. Wenn die Fürstenbank und die Landesbank Steuerhinterzieher anziehen, dann darf auch angesichts der gebotenen Unschuldsvermutung ein fragwürdiges System vermutet werden.
Volkszorn gegen das Steuerparadies
Beide Fälle könnten beachtliche politische Folgen haben. In Berlin bereitet Finanzminister Peer Steinbrück Sanktionen gegen das Fürstentum vor. Es schützt seit Jahrzehnten deutsche Steuerhinterzieher, weil Vaduz in diesen Fällen keinerlei Amtshilfe gewährt. Die Geldverwalter würden eher ein verfängliches Papier hinunterschlucken als Steuerbeamten den Namen eines Klienten zu nennen. Soviel Verschwiegenheit findet ein Teil der deutschen Elite vorbildlich, der ehrliche Steuerzahler findet ihn vermutlich eher kriminell.
Seit der frühere Deutsche-Post-Chef und LGT-Kunde Klaus Zumwinkel Mitte Februar aufflog, richtet sich der Volkszorn nicht nur gegen die Abzocker aus der Oberschicht, sondern auch gegen das Steuerparadies der Sünder. Den Offshore-Finanzplatz endlich auszutrocknen, dessen Geldhäuser in Deutschland immer noch mit Slogans wie "Liechtenstein in Ihrer Nähe" werben, könnte auch im anlaufenden Wahlkampf Punkte bringen. Liechtenstein steht für Betrug durch Leute wie Zumwinkel und für das Versagen der deutschen Elite.
Massiver Druck vom US-Senat
Wenn heute in Deutschland "die da oben" angeprangert werden, folgt das Wort Liechtenstein auf dem Fuß: "Die da oben in Liechtenstein" wäre der Sammeltitel für die Skandale unserer Tage. Fachleute schätzen, dass es in Liechtenstein 20.000 Stiftungen deutscher Steuerflüchtlinge gibt. Das Grummeln der Deutschen ist aber nichts verglichen mit dem Druck, den derzeit der amerikanische Senat macht. Er will, koste es, was es wolle, das 160,4 Quadratkilometer große Schlupfloch stopfen, dessen Bewohner so viel Wert auf Diskretion legen.
Die Geschichte, die fürs erste in Saal 201 des Rostocker Landgerichtes endete, begann im August 2000 in Vaduz, als einer der vermeintlich so treuen LLB-Angestellten eine brisante Sammlung begann. Insgesamt 2325 mal holte Roland Lampert in den folgenden zweieinhalb Jahren die Konto- und Depotverbindungen deutscher Kunden auf seinen Computer und druckte sie aus. Als Gruppenleiter in der Wertschriftenverwaltung hatte der gelernte Kaufmann auch zu anonymen Konten und vertraulichen Passwörtern ungehinderten Zugang.
18 Millionen Schweizer Franken gefordert
Lampert sammelte die Blätter in Koffern. Als er Anfang 2003 überraschend kündigte, flog alles auf. Das Entsetzen in der LLB über die Tat an sich war groß, aber auch die Verwunderung. Lampert, ausgerechnet Lampert! Dieser unauffällige, biedere Familienvater mit der Doppelhaushälfte in einem bürgerlich-braven Vaduzer Wohnviertel. Fast wäre die LLB billig davongekommen. Als Gegenleistung für die Herausgabe der brisanten Kundendaten verlangte Lampert zunächst nur die Reduzierung seiner Hypothek.
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